Kreativität meets Naturschutz – im Interview mit Zukunft Feiern
zum Interview mit Zukunft Feiern vom 17.04.2025 – zukunft-feiern.de oder einfach hier lesen:
„Seit 10 Jahren wird das MIT DIR Festival bei Klingemühle im brandenburgischen Schlaubetal gefeiert. An einem langen Sommerwochenende entsteht ein verspielter Ort voller künstlerischer Installationen, kreativer Performances und fantasievoller Dekorationen. Ein Ort in der Natur, an dem Nachhaltigkeit eine Rolle spielt: Das MIT DIR Festival ist einer der Erstunterzeichnenden des Code of Conduct für nachhaltige Festivalkultur! Wir haben mit Lara, Isi und Ulli vom Umweltteam des MIT DIR über vorausschauende Nachhaltigkeits-Planung, den Kampf gegen Zigarettenstummel und Extremwetter auf Festivals gesprochen.”
Isi, Ulli und Lara betreuen den Umweltstand des MIT DIR Festivals
Auf dem MIT DIR gibt es ein Umweltteam, das sich um Nachhaltigkeit auf dem Festival kümmert. Seit wann gibt es dieses Team und wie seid ihr organisiert? Wie werden Entscheidungen getroffen?
Lara: 2022 hat sich das Umweltteam aus dem Abfall- und Entsorgungsteam herausgebildet und seitdem immer weiter eigenständig weiterentwickelt. Über die vergangenen Jahre hat sich der Fokus des Umweltteams mehr zur Entwicklung, Umsetzung und Reflexion von Nachhaltigkeitsmaßnahmen geändert. Wir sind nun drei Menschen – Isi, Ulli und ich – die gemeinsam unter Abstimmung mit der Budgetverwaltung und der Festivalorganisation das Umweltteam leiten und sämtliche Entscheidungen gemeinsam treffen.
Isi: Wir besprechen unsere Themen und Entscheidungen zunächst innerhalb unseres Teams. Dafür legen wir Prioritäten und Verantwortlichkeiten fest. Die Themen berichten wir direkt an die Produktionsleitung des Festivals. Viele Entscheidungen sind leider budget-abhängig. Manche Entscheidungen für gewisse Maßnahmen liegen außerhalb unseres Gestaltungsbereichs, weshalb wir mit der Produktionsleitung ins Gespräch gehen und entscheiden müssen.
Ulli: Wir haben eigentlich immer mehr Ideen, als wir umsetzen können! Wir versuchen bei Entscheidungen daher vor allem darauf zu achten, was wirklich machbar ist und welche Maßnahmen den größten Einfluss haben können. Beeinflussbarkeit und Wirksamkeit sind dabei zwei wichtige Leitfragen. Meistens entscheiden aber auch ganz praktische Dinge wie Zeit und Budget, was realistisch ist. Außerdem merken wir immer mehr, dass manche Maßnahmen gewissen Vorlauf brauchen – also versuchen wir zunehmend längerfristig zu planen oder schrittweise vorzugehen. Unsere Arbeit organisieren wir größtenteils digital – über gängige Cloud-Dienste und Messaging-Dienste. Persönlich treffen wir uns auch regelmäßig – das ganze Jahr über und natürlich immer öfter, je näher das Festival dann rückt.
Was sind eure wichtigsten Nachhaltigkeits-Maßnahmen?
Ulli: Ein Thema, das uns besonders am Herzen liegt, ist die Vermeidung von Müll in der Umwelt, und vor allem von Zigarettenstummeln. Unser Festival findet im Wald und direkt an einem See statt. Das heißt: Wir sind inmitten von sensiblen Ökosystemen, die wir unbedingt schützen wollen. Kippen enthalten Unmengen an Schadstoffe, die Böden und Gewässer belasten. Deshalb haben wir uns intensiv mit dem Thema auseinandergesetzt – gemeinsam mit TobaCycle, einer Initiative, die sich für die fachgerechte Sammlung und Verwertung von Kippen einsetzt. Auf dem Festivalgelände gibt es Sammelstellen, Infomaterial und viel persönliche Aufklärungsarbeit an unserem Umweltstand.
Isi: Wir sehen uns damit konfrontiert, dass wir Prioritäten setzen müssen und leider nicht alle Maßnahmen, die wir im Kopf haben, umsetzen können. Das liegt teilweise daran, dass diese budgettechnisch oder organisatorisch nicht möglich sind. Letztes Jahr lag unser Fokus auf der Vermeidung von Zigarettenstummeln in der Umwelt und der Nutzung von biologisch abbaubaren Seifen. Dieses Jahr soll der Fokus auf „Bring your Own“ innerhalb des Food Courts sein. Dadurch wollen wir Verpackungsabfälle bei Speisen und Coffee-to-Go Bechern erheblich reduzieren. Die Gäste haben ja sowieso Camping-Equipment dabei – sie müssen es nur mit zum Foodcourt nehmen.
Die Anreise der Besuchenden ist für einen großen Teil der CO2-Emissionen von Veranstaltungen verantwortlich. Wie geht ihr an dieses Problem heran?
Lara: Über die Jahre haben wir durch eine Preiserhöhung und Limitierung der Park- und Campertickets sowie die Bereitstellung von mehr Basslinerfahrten von Berlin zum Festival versucht, die Anreise-Emissionen zu verringern. Für alle Sportbegeisterten bieten wir auch jedes Jahr eine geführte Radtour vom Rand Berlins bis zum Mit Dir Festival an. Im Festivalauf- und abbau werden Menschen dazu angehalten, sich bezüglich der Zugverbindungen zu koordinieren, sodass so wenig Autos wie möglich zum Bahnhof fahren müssen. Wir arbeiten aktuell an einer Erweiterung des Angebots der Basslinerfahrten auch von anderen deutschen Städten aus.
Isi: Wir achten sehr auf Mitfahrgelegenheiten und erstellen dafür vor dem Festival Telegram-Gruppen, um die Menschen zu vernetzen und zu motivieren, mehrere Menschen mitzunehmen. Das hat über die Jahre bisher gut geklappt.
Die Folgen der Klimakrise nehmen auch in Deutschland zu. In den letzten Jahren mussten einige Festivals aufgrund von Unwettern oder Starkregen ganz oder teilweise abgesagt werden. Bereitet ihr euch auf Extremwetter vor?
Isi: Auch wir waren in den vergangenen Jahren immer wieder von Wetterereignissen betroffen. Letztes Jahr hat es zum Beispiel viel geregnet, sodass auf der Zufahrt zum Camping schon bei Festivalstart die Autos stecken geblieben sind. Kurzfristig konnten wir da handeln und den Weg wieder fahrsicher aufschütten.
Lara: Wir merken auf jeden Fall, dass starke Hitze oder starker Regen häufiger und intensiver auftreten als früher. Deshalb bereiten wir uns inzwischen bewusster darauf vor. Bei Hitze zum Beispiel mit mehr Sonnenschutz und besserem Brandschutz. Bei Regen haben wir Regenschutz eingeplant, sorgen mit Schwerlastplatten für befahrbare Wege und halten Hackschnitzel in Reserve, falls das Gelände zu schlammig wird. Gegen Sturm oder Unwetter können wir natürlich nur begrenzt etwas tun – in solchen Fällen müssten wir das Festival unterbrechen oder sogar evakuieren.
Welche nachhaltigen Veränderungen habt ihr für die Zukunft geplant?
Lara: Wir brainstormen schon länger über die Umsetzung von wiederverwendbaren Shot-Gefäßen an den Bars, zum Beispiel mit einem Pfandsystem. Das möchten wir gerne beim Mit Dir 2026 umgesetzt haben. Ansonsten ist auch die Nutzung von Solarenergie zur Beleuchtung der Campingbereiche und Wege ein Thema, dem wir nachgehen wollen, da wir darin ein enormes Einsparpotenzial von Energie sehen.
Ulli: Wir wollen an dem Thema Vermeidung von Kippenmüll in der Umwelt dranbleiben. Uns ist wichtig, dafür weiterhin ein Bewusstsein zu schaffen – bei Besucher*innen und im Team. Themen wie verbesserte Entsorgungsmöglichkeiten stehen weit oben auf unserer Agenda. Es wäre toll, ein gemeinsames Verständnis von Müllvermeidung und richtiges Entsorgen schaffen zu können, bei dem alle gemeinsam Verantwortung übernehmen.
Was erhofft ihr euch vom Netzwerk Zukunft Feiern?
Isi: Es ist verdammt wichtig, sich innerhalb der Szene zu vernetzen. Es muss sich nicht jedes Festival neu erfinden, sondern wir können gegenseitig von Maßnahmen lernen, die einfach umzusetzen sind, und diese adaptieren. Wir sind weiterhin offen für neue Ideen und Anstöße und möchten gemeinsam als Kulturschaffende etwas bewirken und nachhaltig wirken.
Ulli: Vom Netzwerk Zukunft Feiern erhoffen wir uns, mehr in Bewegung setzen zu können – durch gemeinsame Aktionen, gegenseitige Unterstützung und vor allem den Austausch mit anderen Veranstaltenden. Wir stehen alle vor ähnlichen Herausforderungen und es ist nur nachhaltig und sinnvoll, diese gemeinsam zu bewältigen. Außerdem finden wir es wichtig, das Festival selbst stärker als Plattform zu nutzen: um Aufmerksamkeit zu schaffen, ins Gespräch zu kommen, und gemeinsam mit Besucher*innen und Mitwirkenden was zu bewegen. Das Netzwerk Zukunft Feiern hilft uns, sichtbarer zu werden und ein klares Statement für mehr Nachhaltigkeit zu setzen.